Full text: XV. Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (15)

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die Solvenz der Gesellschaft zu erhalten, und diese Kunst nennen 
wir die Technik unseres Gewerbes. 
Allerdings kann aus den vorerwähnten Gründen die Feuer 
versicherungstechnik keine exakte Wissenschaft sein, wie es z. B. 
die Lebensversicherungstechnik ist. Deshalb gehen unter den Feuer 
versicherern selbst die Meinungen über die Wirksamkeit und den 
Geltungsbereich ihrer Technik weit auseinander. Dies zeigt sich 
schon bei der Hauptaufgabe, welche der Feuerversicherungstechnik 
gestellt ist, bei der Entscheidung über die Annahme oder Ab 
lehnung eines Versicherungsantrages. Während die einen erklären, 
jedes Risiko sei versichei'bar, wenn nur die Prämie ausreichend 
bemessen würde, stehen andere auf dem Standpunkte der streng 
sten Auslese und lehnen gewisse Kategorien feuergefährlicher Be 
triebe überhaupt gänzlich ab. Das eine Extrem wie das andere 
ist irrig, das Richtige liegt auch hier, wie so oft im Leben, in der 
Mitte. Die Versicherbarkeit kann in jenen Fällen gänzlich in Frage 
gestellt oder sehr eingeschränkt sein, wo die subjektive Gefahr 
stark hervortritt. Anderseits führen schon die kaufmännische Art 
unseres Betriebes, die tausendfachen Fäden, welche uns mit dem 
Wirtschaftsleben verbinden, dazu, daß der Versicherer keine allzu 
kleinliche Auslese halten kann, und machen es ihm im eigenen Inter 
esse recht schwer, gewisse Risikenkategorien prinzipiell auszu- 
sehließen. Betrachtet man den Feuerversicherungsbetrieb von einer 
höheren Warte, vom Gesichtspunkte der Pflichten, welche uns unsere 
volkswirtschaftliche Aufgabe auferlegt, dann wird man noch viel 
klarer erkennen, daß es heutzutage nicht mehr anginge, daß die 
Feuerversicherer bloß die Rosinen aus dem Kuchen klauben, daß 
sie sich damit gegen die Gesetze der wirtschaftlichen Ethik ver 
fehlen und ihre eigene Existenz untergraben würden. In dieser 
Erkenntnis haben die im Fabriken-Rückversieherungsverbande 
vereinigten österreichisch-ungarischen Versicherungsgesellschaften 
heute schon eine Versicherungsgemeinsehaft gebildet zur ge 
meinsamen Deckung der sogenannten notleidenden Risiken, d. h. 
solcher Fabriksrisiken, welche bislang bei einer Verbandsgesell 
schaft gedeckt waren, oder welche neu zur Versicherung gelangen 
sollen, welche aber wegen ihrer objektiven Beschaffenheit bei 
keiner Verbandsgesellschaft Versicherungsschutz finden. Solche 
Notleidenderklärungen sind indes doch nur Ausnahmsfälle. Im 
allgemeinen kann man sagen: 
Die Auslese, welche der Feuerversicherer heute trifft, ist in 
der Hauptsache bedingt durch die Rücksicht auf die Zusammen 
setzung seines Portefeuilles, dem eine weitgehende Gefahrenver 
teilung not tut, wenn das Ergebnis nicht allzu großen Schwan 
kungen ausgesetzt sein soll. Das Gebot der Gefahrenverteilung 
verlangt einerseits, daß die sogenannten Kümüls vermieden 
werden, d. h. jede Anhäufung von Versicherungen, welche durch 
denselben Brand betroffen werden könnten, und anderseits, daß 
der Versicherungsstock eine gesunde Mischung zwischen leichten
	        
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