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liegt, oder falls nicht Nachbarbrand vorliegt. Die Erforschung der
Brandursache ist technisch von großem Werte, weil sie dem Ver
sicherer gestattet, Vorbeugungsmaßregeln gegen eine Wiederholung
des Brandes aus derselben Ursache anzuordnen, sie ist aber auch
von Wert, weil sie dem Liquidator oft Anhaltspunkte zur Be
urteilung des Beschädigten und seiner Angehörigen und Ange
stellten gibt. Es wäre ein schwerer Fehler, von welchem sich der
Liquidator unbedingt ferne halten muß, in dem Brandbeschädigten
einen Brandstifter zu vermuten, aber die Frage, ob der Brand dem
Versicherten genützt oder geschadet hat, und die Frage, ob der
Versicherte oder seine Leute nach den vorliegenden Umständen
ein Interesse hatten, den Brand herbeizuführen, soll sich der Liqui
dator in jedem Falle vorlegen.
In seinem Handbuche für das Untersuchen von Brand
stiftungen konstatiert Dr. Albert Weingart, daß in einem Jahre,
wo der Hopfen nur 30 Mark kostete, in Elsaß-Lothringen fast täg
lich Hopfentrockenanlagen abbrannten; im darauf folgenden Jahre,
wo der Hopfen 300 Mark kostete, brannte keine einzige Trocken
anlage ab. Es ist also eine unleugbare und auch leicht erklärliche
Tatsache, daß die Brandhäufigkeit mit dem Interesse der Ver
sicherten in enger Relation steht, denn dem Mangel eines Interesses
entspringt gewöhnlich eine Verletzung der pflichtgemäßen Ob
sorge und manchmal auch eine verbrecherische Spekulation.
Eine Brandstiftung — sei es aus Spekulation oder aus
Rachsucht — liegt sicherlich dort vor, wo es gelingt, mehrere
Brandherde nachzuweisen. Auch der Umstand ist verdächtig und
deutet auf die Verwendung von Zündstoffen, wenn an nicht feuer
gefährlichen Stellen eines Gebäudes ein gleich vom Beginne an
heftiger Brand ausbricht. Scheinbar geringfügige Umstände er
hellen, richtig erfaßt, oft blitzartig die Situation.
Ich erinnere mich heute noch mit Vergnügen des Scharf
sinnes, welchen mein Lehrmeister bei unserer ersten gemeinsamen
Schadenerhebung, entwickelte. Es handelte sich um den Brand
einer ziemlich hoch versicherten Bibliothek, der Versicherte war
in prekäre Verhältnisse gekommen, unter den verbrannten Büchern
sollten sich viele mit hohem Seltenheitswert befunden haben. Die
Brandzerstörung der Büchersammlung mußte im Verhältnisse zur
Brandzerstörung der Zimmereinrichtung recht beträchtlich genannt
werden. Das brandbetroffene Zimmer befand sich im ersten Stocke
eines Hauses, welches aus der Baulinie vorsprang und besaß ein
Seitenfenster ohne Rouleau, von welchem man die ganze Straßen
flucht übersah. Als wir eintraten, war dieses Fenster mit einem
großen, mit zusammengerafften Sachen gefüllten Schrank ver
stellt, so daß mein Instruktor sich nebenhin erkundigte, wo der
Schrank gewöhnlich seinen Platz habe, und dann, wo er während
des Brandes stand. Damit war er sich über den Brand klar. Er
sah seine Annahme bestätigt, daß der Schrank vor das Fenster
gestellt worden war, damit die Passanten den Feuerschein mög-