Full text: XV. Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (15)

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Worten: das Gutachten der Sachverständigen kann aus materiell 
rechtlichen Gründen angefochten werden. 
Nachdem die Versicherungsvertragsbestimmungen verlangen, 
daß die zur Schadenschätzung berufenen Gutachter Sachver 
ständige seien, und daß ihnen keine der Gründe entgegenstehen, 
welche nach § 19 und §20 der Jurisdiktionsnorm zur Ablehnung 
eines Richters berechtigen, so kann also der von einer Partei 
erwählte Schätzmeister wegen offenbarer Sachunkenntnis oder 
wegen Befangenheit, z. B. wegen dienstlicher Abhängigkeit oder 
wegen Verwandtschaft von der Gegenseite abgelehnt werden. 
In der Ablehnung des Sachverständigen der Gegenseite dürfen 
jedoch weder Versicherer noch Versicherter zu weit gehen. Der 
Versicherer kann keinen Einspruch dagegen erheben, daß der 
Versicherte einen seiner Lieferanten oder Warengläubiger zum 
Sachverständigen bestelle. Ebenso wenig kann der Versicherte 
einen Sachverständigen etwa deshalb ablehnen, weil er dem Ver 
sicherer berufsmäßig Sachverständigendienste leistet, wie dies bei 
Gebäude- und Maschinenexperten öfters der Fall ist, oder des 
halb, weil der betreffende Sachverständige sein Konkurrent ist, 
obwohl der Versicherer natürlich, wo es irgend angeht, ein solches 
Zusammentreffen vermeiden wird. 
Man wirft den Versicherern oft vor, daß sie erprobte Ge 
bäude- und Maschinenexperten ständig für ihre Schadenschätzungen 
verwenden und sich dadurch ein gewisses Übergewicht über den 
Versicherten verschaffen, welcher gewöhnlich gezwungen sei, sich 
aufs Geradewohl einen Experten zu wählen, dessen fachliche 
Eignung er gar nicht zu beurteilen verstehe. Dagegen ist folgendes 
zu bemerken. Wenn wirklich einmal der Experte des Versicherten 
über die notwendige Befähigung nicht verfügt, so äußert sich 
dieser Mangel gewöhnlich nicht nach der Richtung, daß er für 
den Versicherten zu wenig fordert, sondern ganz im Gegenteil 
nach der Richtung des Zuvielforderns, und dies sind für den 
Versicherer die unangenehmsten P’älle, weil sich Unverstand be 
kanntlich nicht überzeugen läßt. Man sollte doch bedenken, daß 
für eine Assekuranzschätzung — und ich glaube das in meinem 
zweiten Vortrage einigermaßen klar gemacht zu haben — ganz 
andere Gesichtspunkte maßgebend sind, als für jede andere 
Schätzung. Wer beobachtet, wie viel die Assekuranzen bei 
Schätzungen, zu welchen sie über berufsmäßige Experten nicht 
verfügen, d. i. bei Schätzungen von Waren- und Vorratsschäden, 
alljährlich über die wahren Schadenbeträge hinaus bezahlen, weil 
die Experten sich dem Versicherten gegenüber durch einen ge 
wissen esprit de corps beeinflussen lassen oder weil sie wohl 
allgemeine Branchekenntnisse besitzen, aber in den diffizilen 
Spezialfragen nicht bewandert sind, welche gerade für die Be 
urteilung des betreffenden Betriebes maßgebend erscheinen, der 
wird in der Sachverständigenfrage zu einem ganz anderen Urteile 
gelangen.
	        
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