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wohnlich unter den bereits gerichtlich nominierten Sachverständigen,
immer aber unter den wenigen lokalen Sachverständigen treffen,
welchen die Gesichtspunkte von Assekuranzschätzungen meist
vollkommen fremd sind. Da die Gerichte in der Regel von einer
Vernehmung des Versicherers über die Sachverständigenwahl
Umgang nehmen und auch die Beweisaufnahme sofort anordnen,
so ist der Versicherer fast nie in der Lage, seine Interessen
bei der gerichtlichen Beweisaufnahme zu vertreten. Die gericht
lichen Sachverständigen gehen gewöhnlich von dem Standpunkte
aus, daß zu schätzen sei, was nach den Angaben des Versicherten
und den Raumverhältnissen vorhanden gewesen sein kann, und
nicht, was nach dem Umfang des Geschäftes und den Rimanenzen
wahrscheinlich vorhanden war. Deshalb enden gerichtliche Beweis
aufnahmen erfahrungsgemäß immer mit einer ansehnlichen Be
reicherung der Versicherten.
Ich kenne so einen Fall aus jüngster Zeit, wo ein Versicherter,
der wegen Brandstiftung in Untersuchungshaft war und dann
freikam, das Sachverständigenverfahren nicht anerkannte und eine
gerichtliche Beweisaufnahme durchsetzte. Der Umstand, daß ein
Versicherter sich wegen Verdachtes der Brandlegung in straf
gerichtlicher Untersuchung befand, beraubt ihn ja bekanntlich
nicht der Sympathien unserer Zivilgerichte. Die besagte gericht
liche Beweisaufnahme billigte dem Beschädigten alles zu, was er
verlangte. Als dann die Versicherungsgesellschaft, um einen aus
sichtslosen Prozeß zu vermeiden, den gerichtlich festgestellten
Schaden liquidierte, sah sich dieses selbe Gericht ein halbes Jahr
später veranlaßt, gegen seinen Schützling das Verfahren wegen
Assekuranzbetruges einzuleiten. Solche Fälle sind nur deshalb
möglich, weil unsere Gerichte sich dagegen verschließen, daß die
Versicherer Differenzen wegen der Schadenhöhe nur dort nicht
ausgleichen, wo sie sehr gewichtige Indizien dafür besitzen, daß
sie es mit unlauteren Spekulationen zu tun haben.
Bei Schäden an beweglichen Gegenständen hat der Versicherte
auf Verlangen des Versicherers ein Verzeichnis der vernichteten,
der beschädigten und der unbeschädigt geretteten Gegenstände
mit Wertangabe vorzulegen. Der Versicherte soll dadurch ange
halten werden, nachzudenken und sich zu sammeln, damit er
nicht durch Hast oder Vergeßlichkeit zu Schaden komme. Diese
Verzeichnisse bringen manchmal auch den Vorteil mit. sich, daß
dem Versicherten die Tragweite unrichtiger Angaben zum Be
wußtsein kommt, indem er genötigt wird, dieselben schriftlich
aus der Hand zu geben; wenn es sich aber um Versicherte
handelt, welche aus dem Brande Vorteil ziehen wollen, und welche
eine Bloßstellung durch Zeugen nicht zu fürchten haben, so bringt
ein solches Verzeichnis den Liquidator in eine heikle Situation,
da er die Übertreibungen desselben bald erkennt, anderseits aber
mit jedem Rütteln an denselben einen Zweifel an dem Erinnerungs
vermögen oder der Wahrheitsliebe der Partei bekundet. Die Er-