Full text: XV. Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (15)

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wohnlich unter den bereits gerichtlich nominierten Sachverständigen, 
immer aber unter den wenigen lokalen Sachverständigen treffen, 
welchen die Gesichtspunkte von Assekuranzschätzungen meist 
vollkommen fremd sind. Da die Gerichte in der Regel von einer 
Vernehmung des Versicherers über die Sachverständigenwahl 
Umgang nehmen und auch die Beweisaufnahme sofort anordnen, 
so ist der Versicherer fast nie in der Lage, seine Interessen 
bei der gerichtlichen Beweisaufnahme zu vertreten. Die gericht 
lichen Sachverständigen gehen gewöhnlich von dem Standpunkte 
aus, daß zu schätzen sei, was nach den Angaben des Versicherten 
und den Raumverhältnissen vorhanden gewesen sein kann, und 
nicht, was nach dem Umfang des Geschäftes und den Rimanenzen 
wahrscheinlich vorhanden war. Deshalb enden gerichtliche Beweis 
aufnahmen erfahrungsgemäß immer mit einer ansehnlichen Be 
reicherung der Versicherten. 
Ich kenne so einen Fall aus jüngster Zeit, wo ein Versicherter, 
der wegen Brandstiftung in Untersuchungshaft war und dann 
freikam, das Sachverständigenverfahren nicht anerkannte und eine 
gerichtliche Beweisaufnahme durchsetzte. Der Umstand, daß ein 
Versicherter sich wegen Verdachtes der Brandlegung in straf 
gerichtlicher Untersuchung befand, beraubt ihn ja bekanntlich 
nicht der Sympathien unserer Zivilgerichte. Die besagte gericht 
liche Beweisaufnahme billigte dem Beschädigten alles zu, was er 
verlangte. Als dann die Versicherungsgesellschaft, um einen aus 
sichtslosen Prozeß zu vermeiden, den gerichtlich festgestellten 
Schaden liquidierte, sah sich dieses selbe Gericht ein halbes Jahr 
später veranlaßt, gegen seinen Schützling das Verfahren wegen 
Assekuranzbetruges einzuleiten. Solche Fälle sind nur deshalb 
möglich, weil unsere Gerichte sich dagegen verschließen, daß die 
Versicherer Differenzen wegen der Schadenhöhe nur dort nicht 
ausgleichen, wo sie sehr gewichtige Indizien dafür besitzen, daß 
sie es mit unlauteren Spekulationen zu tun haben. 
Bei Schäden an beweglichen Gegenständen hat der Versicherte 
auf Verlangen des Versicherers ein Verzeichnis der vernichteten, 
der beschädigten und der unbeschädigt geretteten Gegenstände 
mit Wertangabe vorzulegen. Der Versicherte soll dadurch ange 
halten werden, nachzudenken und sich zu sammeln, damit er 
nicht durch Hast oder Vergeßlichkeit zu Schaden komme. Diese 
Verzeichnisse bringen manchmal auch den Vorteil mit. sich, daß 
dem Versicherten die Tragweite unrichtiger Angaben zum Be 
wußtsein kommt, indem er genötigt wird, dieselben schriftlich 
aus der Hand zu geben; wenn es sich aber um Versicherte 
handelt, welche aus dem Brande Vorteil ziehen wollen, und welche 
eine Bloßstellung durch Zeugen nicht zu fürchten haben, so bringt 
ein solches Verzeichnis den Liquidator in eine heikle Situation, 
da er die Übertreibungen desselben bald erkennt, anderseits aber 
mit jedem Rütteln an denselben einen Zweifel an dem Erinnerungs 
vermögen oder der Wahrheitsliebe der Partei bekundet. Die Er-
	        
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