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fahrung wird den Liquidator bald belehren, daß in solchen Fällen
eine allzu weitgehende Delikatesse nicht angezeigt ist und auch
von den betreffenden Parteien nicht erwartet wird.
Auf Grund dieser Verzeichnisse und der vom Versicherten
zu liefernden Belege — auf welche ich noch zu sprechen komme
~ hat der Liquidator an die Schadenerhebung zu schreiten.
Hiebei hat er getrennt für jede vom Schaden betroffene Ver
sicherungspost den Wert der versicherten Gegenstände vor dem
Brande abzuschätzen, um festzustellen, ob die Partei nicht infolge
Unterversicherung an dem Schaden als Selbstversicherer partizi
piert. Von der Ermittlung des gesamten Gesundwertes einer Ver
sicherungspost darf nur abgesehen werden, wenn es sich um einen
relativ nicht bedeutenden Partialschaden handelt, und wenn zu
gleich nach dem Augenscheine ein Verdacht auf Unterversicherung
nicht besteht.
Es erscheint vielleicht angezeigt, bei dieser Gelegenheit mit
einigen Worten den Einfluß zu besprechen, welchen die im Falle
einer Selbstversicherung anzuwendende Verhältnisrechnung auf
die Höhe der Entschädigung ausübt, da hierüber, namentlich in
Laienkreisen, ganz unrichtige Ansichten herrschen. Während näm
lich im Brandschadenfalle der eine Versicherte glaubt, den Wert
der versicherten Gegenstände nicht hoch genug angeben zu
können, will der in Versicherungsdingen Halbeingeweihte gewöhn
lich um jeden Preis verhindern, daß er „ins Verhältnis komme”,
d. h., daß der aus der Schätzung resultierende Versicherungswert
die Versicherungssumme übersteige, weil dann, wie ihm bekannt,
der Entschädigungsbetrag im Verhältnis der Unterversicherung-
herabgesetzt wird.
Der Einfluß der Verhältnisrechnung auf die Entschädigung
läßt sich mathematisch sehr einfach darstellen, wenn man zwei
verschiedene Schätzungen desselben Schadenfalles einander gegen
überstellt, wovon die eine den Versicherungswert W gleich oder
kleiner als die Versicherungssumme F, und die andere den Ver
sicherungswert W l größer als die Versicherungssumme ergeben
soll. Der Schaden sei im ersten Falle S, im zweiten Falle S 1 , die
Entschädigung im ersten Falle E, im zweiten Falle E 1 .
Es soll nun die Bedingung dafür untersucht werden, daß
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ist. Diese Ungleichung läßt sich umformen in
oder in
S 1
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__ Die letzte Formel besagt: Die Verhältnisrechnung ergibt eine
Erhöhung oder Verminderung der Entschädigung, je nachdem die.
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