Full text: XV. Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (15)

162 
man ist der Ansicht, da die Versicherung Unglück zu heilen be 
rufen ist, daß sie sich ausschließlich von sozialpolitischen Gesichts 
punkten leiten lassen müsse, und daß sie nicht kaufmännisch be 
trieben werden dürfe. 
Unter allen Eigenschaften und Kenntnissen aber, welche den 
Feuerversicherer auszeiehnen sollen, möchte ich gerade die kauf 
männischen voranstellen, denn die kaufmännische Denkweise und 
die kaufmännische Organisation bilden unzweifelhaft die Grund 
lage unserer Fortschritte. 
Ohne die beweglichen Formen des kaufmännischen Betriebes 
gibt es keine Anpassung an die Bedürfnisse des Einzelnen, keine 
Risikenindividualisierung, wie wir es bezeichnet haben, und gibt 
es keine Anpassung an die Bedürfnisse der Allgemeinheit, wie 
ich sie eben an einigen Beispielen vorgeführt habe. Nimmt man 
der Feuerversicherung die Anpassungsfähigkeit, so nimmt man 
ihr auch den Impuls zum Fortschritte. 
Die genannte, uns wenig günstige Strömung hat leider — 
vielleicht auch infolge der zu geringen Aufklärungsarbeit der 
Privatversicherer — die weitesten Kreise ergriffen, sie hat auch 
vor den Eingangspforten zu unseren Gerichten nicht Halt ge 
macht. Die P'euerversicherer sind heute bereits auf dem Stand 
punkte angelangt, lieber mit sehenden Augen zu viel zu zahlen, 
als sich vor Gericht zitieren zu lassen. Diese Sachlage, welche ja 
nicht verborgen bleiben konnte, hat aber natürlich ihre Folgen 
nach sich gezogen. Die Fälle der spekulativen Ausnützung von 
Brandschäden häufen sich, und wir stehen da vor einer Ent 
wicklung, welche man auch vom Standpunkte der öffentlichen 
Interessen nicht so gleichgiltig hinnehmen sollte. 
Eine Besserung dieser Verhältnisse ist jedoch nicht zu er 
warten, so lange die Öffentlichkeit uns ohne Interesse und Ver 
ständnis gegenübersteht, so lange die Grundlagen des Feuerver 
sicherungswesens nicht mehr als bisher bekannt werden und die 
schwierige Situation des Feuerversicherers in Schadenfällen nicht 
mehr gewürdigt wird. 
Leider kann ich meine Vorträge nicht mit der Versicherung 
schließen, daß heute schon Anzeichen für eine Besserung unserer 
wenig erfreulichen Lage vorhanden sind, aber ich möchte doch 
der Ansicht Ausdruck geben, daß wir uns trotz alledem nicht 
entmutigen lassen dürfen. 
Es muß auch in Österreich die Zeit kommen, da man der 
Privatfeuerversicherung, welche sich in der ganzen übrigen Kultur 
welt des größten Ansehens erfreut, Gerechtigkeit widerfahren 
läßt. Diese Wandlung dadurch herbeizuführen, daß wir die uns. 
anvertrauten Interessen unserer Versicherten mit gewissenhafter 
Sorgfalt wahren, daß wir über das Wesen und Wirken der Feuer 
versicherung überall Aufklärung verbreiten, soll unser Streben 
sein, und diesem Ziele möge jeder Einzelne von uns seine ganze 
geistige und moralische Kraft leihen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.