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man ist der Ansicht, da die Versicherung Unglück zu heilen be
rufen ist, daß sie sich ausschließlich von sozialpolitischen Gesichts
punkten leiten lassen müsse, und daß sie nicht kaufmännisch be
trieben werden dürfe.
Unter allen Eigenschaften und Kenntnissen aber, welche den
Feuerversicherer auszeiehnen sollen, möchte ich gerade die kauf
männischen voranstellen, denn die kaufmännische Denkweise und
die kaufmännische Organisation bilden unzweifelhaft die Grund
lage unserer Fortschritte.
Ohne die beweglichen Formen des kaufmännischen Betriebes
gibt es keine Anpassung an die Bedürfnisse des Einzelnen, keine
Risikenindividualisierung, wie wir es bezeichnet haben, und gibt
es keine Anpassung an die Bedürfnisse der Allgemeinheit, wie
ich sie eben an einigen Beispielen vorgeführt habe. Nimmt man
der Feuerversicherung die Anpassungsfähigkeit, so nimmt man
ihr auch den Impuls zum Fortschritte.
Die genannte, uns wenig günstige Strömung hat leider —
vielleicht auch infolge der zu geringen Aufklärungsarbeit der
Privatversicherer — die weitesten Kreise ergriffen, sie hat auch
vor den Eingangspforten zu unseren Gerichten nicht Halt ge
macht. Die P'euerversicherer sind heute bereits auf dem Stand
punkte angelangt, lieber mit sehenden Augen zu viel zu zahlen,
als sich vor Gericht zitieren zu lassen. Diese Sachlage, welche ja
nicht verborgen bleiben konnte, hat aber natürlich ihre Folgen
nach sich gezogen. Die Fälle der spekulativen Ausnützung von
Brandschäden häufen sich, und wir stehen da vor einer Ent
wicklung, welche man auch vom Standpunkte der öffentlichen
Interessen nicht so gleichgiltig hinnehmen sollte.
Eine Besserung dieser Verhältnisse ist jedoch nicht zu er
warten, so lange die Öffentlichkeit uns ohne Interesse und Ver
ständnis gegenübersteht, so lange die Grundlagen des Feuerver
sicherungswesens nicht mehr als bisher bekannt werden und die
schwierige Situation des Feuerversicherers in Schadenfällen nicht
mehr gewürdigt wird.
Leider kann ich meine Vorträge nicht mit der Versicherung
schließen, daß heute schon Anzeichen für eine Besserung unserer
wenig erfreulichen Lage vorhanden sind, aber ich möchte doch
der Ansicht Ausdruck geben, daß wir uns trotz alledem nicht
entmutigen lassen dürfen.
Es muß auch in Österreich die Zeit kommen, da man der
Privatfeuerversicherung, welche sich in der ganzen übrigen Kultur
welt des größten Ansehens erfreut, Gerechtigkeit widerfahren
läßt. Diese Wandlung dadurch herbeizuführen, daß wir die uns.
anvertrauten Interessen unserer Versicherten mit gewissenhafter
Sorgfalt wahren, daß wir über das Wesen und Wirken der Feuer
versicherung überall Aufklärung verbreiten, soll unser Streben
sein, und diesem Ziele möge jeder Einzelne von uns seine ganze
geistige und moralische Kraft leihen.