Full text: XV. Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (15)

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Jeder Arbeiter hat das Recht, bei seinem Austritte die Aus 
stellung eines Zeugnisses zu verlangen, in welchem der Arbeit 
geber über Wunsch des Arbeiters sich auch über dessen Lei 
stungen und sein Verhalten an der Arbeitsstätte zu äußern hat. 
Für die Aufnahme und Ausbildung von Lehrlingen be 
stehen besondere Vorschriften. Der Lehrherr muß die moralische 
und fachliche Eignung zur Ausbildung des Lehrlings besitzen und 
über ein Unternehmen verfügen, das die Möglichkeit einer gründ 
lichen Ausbildung in dem betreffenden Gewerbe bietet. Zwischen 
dem Lehrherrn und dem Vater (Vormund) des Lehrlings wird 
ein Lehrvertrag abgeschlossen. Als Vertragsschließender fungiert 
der Unternehmer persönlich und nicht etwa seine Firma; daher 
erlischt auch die Giltigkeit des Vertrages durch den Austritt des Lehr 
herrn aus der Firma, seinen Tod, seine Unzurechnungsfähigkeit. 
Der Lehrherr ist verpflichtet, den Lehrlingen die notwendige freie 
Zeit zum Besuche der gewerblichen Fortbildungsschule einzu- 
räumen. 
Muster eines Lehrvertrages. 
Wien, am 15. September 1911. 
Lehrvertrag, 
welcher heute zwischen Herrn Johann Zach, 47 Jahre alt, Gesellschafter der 
Firma M. Zach & Sohn, Möbelfabrik, Wien XIX., Döblinger Hauptstraße Kr. 75, 
und Herrn Friedrich Wondrak, Kleinfuhrwerker, wohnhaft in Wien XVIII., Mar 
tinstraße Nr. 115, unter folgenden Bedingungen abgeschlossen wurde: 
1. Herr Johann Zach nimmt den Ferdinand Wondrak aus Wien, am 
17. Juni 1897 geboren, welcher laut Zeugnis der Bürgerschule, XVIII., Wäh- 
ringerstraße, die III. Klasse besuchte, auf 3 Jahre, inklusive einer 8wöchent- 
lichen Probezeit in die Lehre und verpflichtet sieh, denselben in den Fertig 
keiten der Möbeltischlerei zu unterweisen, dessen fleißige Verwendung in 
diesem Gewerbe zu überwachen, denselben zu einem tüchtigen Gesellen in 
diesem Gewerbe auszubilden und nach ordnungsgemäß vollbrachter Lehrzeit 
freizusprechen. 
Die Lehrzeit beginnt mit dem 1. Oktober 1911 und endet mit dem 
30. September 1914. 
Bin Lehrgeld, eine Aufdingungs- und Freisprechgebühr wird nicht ent 
richtet. Die Prüfungstaxe zahlt der Lehrling. 
2. Bezüglich der Entlohnung werden folgende Bedingungen festgesetzt: 
Der Lehrling erhält einen Lohn von anfänglich 15 Hellern pro Stunde, der 
späterhin nach Ermessen des Lehrherrn allmählich auf 22 Heller pro Stunde 
erhöht wird. 
3. Herr Friedrich Wondrak verpflichtet sich für des Lehrlings Kleider, 
Wohnung und Verköstigung zu sorgen. 
4. Der Lehrling muß der Allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Unter- 
stiitzungskasse, Wien VI., Gumpendorferstraße 64, als Mitglied boitroten. 
5. Der Lehrherr verpflichtet sich, den Lehrling in eine gewerbliche Fort 
bildungsschule zu schicken, zum fleißigen Schulbesuch anzuhalten und ihm die 
nötige Zeit dazu zu gewähren. 
6. Es erklärt Herr Friedrich Wondrak namens seines Sohnes Ferdinand 
Wondrak, dahin wirken zu wollen, daß dieser die Lehre ohne einen gesetzlich 
gütigen Grund nicht verläßt, dem Lehrherrn oder dessen Stellvertreter gegen 
über die größte Folgsamkeit, Treue, Fleiß sowie anständiges Betragen beob 
achtet, sich durch Eifer und tätiges Eingreifen die erforderlichen Kenntnisse 
aneignet, die Schule fleißig besucht und die eingegangenen Verpflichtungen 
redlich erfüllt.
	        
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