248
eine Stimmung auszudrücken habe, so kann man dem Lehrer nicht
eine Regel geben, wie er das geheimnisvollste aller Naturgeschehen,
das Denken, beeinflussen könne.
Der Lehrer, der bei seinen Erklärungen mit Sorgfalt der
eigenen Gedankenbildung nachspürt, wird auch den Weg zu den
Gehirnen der Schüler finden. Er kann zwar nicht unmittelbar in
ihr Denken eindringen, aber es ist damit jene wunderbare Ver
bindung zwischen ihm nnd den Schülern geschaffen, die man
trefflich mit dem Worte Kontakt bezeichnet.
Ich kann mir hier nicht versagen, eines pädagogischen Grund
satzes zu gedenken, der vielleicht mehr als irgendein anderer im
stande ist, die Forderung nach Übung des Denkens zu erfüllen.
Es ist das Prinzip des „Selbertuns”.
So wenig begreiflich uns die Denkvorgänge, die Begriffs
bildung, die Urteilsbildung, sind, so steht doch eines fest: Äußere
Einwirkungen vermögen Denkvorgänge zwar auszulösen, aber
nicht, sie durchzuführen. Hierzu ist die innere, autonome,
spontane Betätigung, die Arbeit des Denkenden notwendig.
Die Rolle, die also dem Unterricht zufällt, kann keine andere sein,
als eben jene spontane Arbeit in den Gehirnen der Schüler aus
zulösen. Der Lehrer darf nicht fertige Gedanken wie auf dem
Servierbrett Vorbringen. Er muß mit großer Kunst in dem Schüler
selbst die Gedanken zum Keimen bringen, die intuitive Arbeit
des Schülers anregen, ihm Interesse für die Sache einflößen,
um seine Arbeit an der Sache zu gewinnen. Nur selbsterar
beitete Ideen sind haltbar; und wenn auch gedrillte Regeln
manchmal im Gedächtnis bleiben, so fehlt ihnen doch die be
fruchtende Kraft: Sie haben mit dem Denken nichts zu tun.
Es gibt fx-eilich viel „Gedächtnisstoff”; aber so weit es mög
lich ist, soll es vermieden werden, Dinge, die verstandesmäßig
entwickelt werden können, bloß gedächtnismäßig lernen zu lassen.
Denn damit wird nicht nur die Denkfähigkeit vernachlässigt, son
dern auch das Erlernte dem raschen Vergessen anheimgegeben
und der Zweck des Unterrichts, in das innere Wesen der Dinge
einzuführen, gänzlich verfehlt.
Nur was man versteht, ist von Wert und Dauer.
Das Gedächtnis bietet nur zusammenhanglose Einzelheiten;
das Verständnis schlägt dazwischen die Brücken.
Verständnis ist aber nur durch „Seibertun” zu erreichen.
Der Schüler, der nicht stets selbständig Neues erobert, ermüdet
rasch. Sein Interesse erlahmt; er arbeitet gezwungen. Und jeder
Zwang zu einer Arbeit ohne Interesse daran ist vom pädagogischen
Standpunkte schädlich, denn er ruft den Willen gegen die Arbeit
auf, statt für sie. Ebenso ist jedes Mittel, das ein Interesse
außerhalb der Sache für das Interesse an der Sache substi
tuiert (z. B. die Notenjägerei) — obwohl die praktische Pädagogik
solcher Mittel noch lange nicht wird entbehren können — päda
gogisch roh.