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Die Analyse des Verbrennungsprozesses macht klar, daß das
Löschen mit Wasser nichts anderes bedeutet, als das Brandobjekt
so abzukühlen, daß seine Temperatur unter die Verbrennungs
temperatur sinkt. Eine direkte Vernichtung der Flamme wird daher
durch das Löschen mit Wasser nicht erzielt, zu diesem Behufe
müßte dem Feuer der Sauerstoff entzogen werden, wie dies die
sogenannten Trockenlösch- und Schaumlöschapparate bezwecken.
Die Chemie macht zwischen Brand und Feuer keinen Unter
schied. In volkswirtschaftlicher Beziehung besteht jedoch ein
solcher. Unter Brand versteht man ein Schadenfeuer. Das Feuer,
welches bestimmungsgemäß unter dem Kessel, im Ofen oder in
der Lampe brennt, wird nicht als Brand bezeichnet. Schäden,
welche Gegenstände durch ein Feuer erleiden, dem sie ihrer Be
stimmung gemäß ausgesetzt sind, fallen daher nicht unter den
Begriff Brandschaden, obwohl mit ihnen unzweifelhaft ein wirt
schaftlicher Nachteil verbunden ist. Ein bestimmungsgemäßes
Feuer, auch wenn es bestimmungswidrig Schaden stiftet, wird
damit noch nicht zum Brand. Dazu ist notwendig, daß es auch
Gegenstände ergreift, die ihm nicht bestimmungsgemäß ausgesetzt
sind. Das Durchbrennen eines Dampfkessels, das Versengen der
Wäsche mit dem Bügeleisen, das Anbrennen des Bratens in der
Pfanne, das Verbrennen der Wäsche im Waschkessel, kurz alle
Schäden, weiche man als Betriebsschäden zu bezeichnen pflegt,
sind also vom Versicherer nicht zu ersetzen. Das anerkennt sowohl
der Bericht der vereinigten volkswirtschaftlichen und juridischen
Kommission des Herrenhauses zum österreichischen Gesetzentwürfe,
als auch der Motivonbericht zum deutschen Gesetze über den Ver
sicherungsvertrag.
Der erwähnte deutsche Motivonbericht sowie die deutschen
Feuer Versicherer in ihren neuen Versicherungsbedingungen gehen
noch etwas weiter, indem sie sagen: „Die Haftung des Versicherers
für einen Feuerschaden setzt immer voraus, daß es sich um einen
durch ein Brandereignis verursachten Schaden handelt.” Was durch
diese Gleichstellung der Begriffe Brand und Brandereignis für die
Einschränkung der Haftung des Feuerversieherers gewonnen werden
soll, ist allerdings schwer zu präzisieren und daher den verschie
densten Auslegungen ausgesetzt. Man wird vielleicht am richtigsten
sagen, die reichsdeutschen Feuerversieherer wollen als Brand nur
ein solches Schadenfeuer gelten lassen, welches sich dem Entstehen
nach als nicht vorherzusehender Unfall und der Wirkung nach
als nicht mit Leichtigkeit zu unterdrückende Gefahr darstellt.
Der Zweck dieser Bestimmung geht dahin, den größten Teil
der sogenannten Bagatellschäden von der Haftung auszuschließen.
Die Ersatzansprüche für Bagatellschäden sind heute bereits zu einer
finanziellen Kalamität für die Versicherungsanstalten geworden.
Anfangs haben die Gesellschaften aus einer unrichtigen Kulanz
und aus Rücksichten des Wettbewerbes geglaubt, diese Schäden
vergüten zu müssen, jetzt werden die Gesellschaften — wie Posselt