Full text: XVII. Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (17)

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b) Volkswirtschaftliche Bedeutung. 
Jedes Menschenleben bedeutet ein Kapital. Es bildet gleich 
sam den Grundstock, mit Hilfe dessen der Mensch sich, neues 
Kapital, neues Vermögen zu erwerben imstande ist. Dieses 
Menschenleben ist jedoch verschiedenen Zufällen ausgesetzt, wie 
Krankheit, Verletzungen usw., und selbst das Alter kann es einen 
Teil seiner Kapitalskraft einbüßen lassen. Ja, im Falle des Todes 
hört es überhaupt auf zu existieren. Gegen diese Zufälle nun, die 
jederzeit eintreten können, im Falle des Todes oder Herannahen 
des Alters aber eintreten müssen und deren Willkür der Mensch 
preisgegeben ist, da er ihr Kommen nicht vorauszusehen vermag, 
soll er sich soviel wie möglich zu schützen suchen. Diesen Schutz 
nun bietet ihm die Lebensversicherung, bei der die Gesellschaft 
die Garantie dafür übernimmt, daß die Kapitalskraft der mensch 
lichen Existenz im Alter, wie auch noch nach eingetretenem Tode 
fortdauert. Dadurch wird dem Menschen eine gewisse Beruhigung 
zuteil. Er wird mit viel größerer Schaffensfreude an die Arbeit 
gehen, seines Daseins froher werden können, wenn er weiß, daß 
für ihn im Alter und nach seinem Tode aber auch für seine Lieben 
gesorgt ist. 
Die Lebensversicherung ist nichts anderes als eine Sparkasse, 
jedoch mit dem Unterschiede, daß in ihr Leistung und Gegen 
leistung anders gestaltet sind als in dieser. Eine Sparkasse nimmt 
nur freiwillige Zahlungen und rückerstattet nur, was sie erhalten. 
Die Lebensversicherung hingegen fordert eine Zwangszahlung. Ist 
ein Versicherungsvertrag abgeschlossen, so hat die betreffende 
Partei die Verpflichtung, eine regelmäßige Zahlung der Prämie ein 
zuhalten, übernommen, widrigenfalls der Vertrag zunichte wird. 
Auch ist die Rückzahlungssumme der Lebensversicherungsgesell 
schaft gegenüber der der Sparkasse nicht gleich dem Einzahlungs 
betrage, sondern erstere sichert die Auszahlung des gesamten Ver 
sicherungsgeldes zu, gleichviel ob der Moment der Zahlung früher 
oder später eintritt. 
Dadurch wird das geheimnisvolle Walten des Zufalles für 
den Einzelnen aufgehoben. Was Frühersterbende zu wenig an 
Prämien entrichtet haben, wird dadurch, daß Andere das Glück 
haben, länger zu leben, als es die Berechnung angenommen, ge 
deckt. In pi’ivatwirtschaftlicher Beziehung ist dies entschieden als 
ein Vorteil anzusehen, für die Volkswirtschaft hingegen wäre damit 
noch nichts gewonnen. Es würde einfach das, was der Eine verdient, 
der Andere zu tragen haben. 
Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Lebensversicherung 
liegt vielmehr darin, daß durch sie keine verloren gegangenen 
Kapitalien ersetzt werden, sondern stets neues Vermögen gebildet 
wird. Der den Einzelnen treffende Schaden wird gleichmäßig auf 
die Gesamtheit verteilt. Die Versicherungssumme wird also nicht 
von einem Einzelnen getragen, sondern wird aus dem Einkommen
	        
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