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Depeschen kürzer und häufiger würden, stiege das tote Gewicht
unverhältnismäßig an und infolgedessen müßten die Raten schon
vor jenem Sättigungspunkt in die Höhe gesetzt werden. Es ergäbe
sich sohin die interessante Analogie mit anderen wirtschaftlichen
Erscheinungen, daß die besondere Vollkommenheit eines Codes
für den Besitzer insolange einen Vorteil bedeutet, als er eine be
vorzugte Ausnahme darstellt, sobald die Vollkommenheit aber
sich verallgemeinert, verliert sie für alle ihre günstige Wirkung.
Theoretisch sind also die Wechselbeziehungen zwischen
Kabelraten, Verkehrsintensität und Vollkommenheit der Codes sehr
kompliziert, ganz klar wohl überhaupt nicht zu erfassen, da mit
zuviel unbestimmten Großen gerechnet werden muß. Praktisch
stellen sie sich im gegebenen Falle viel einfacher, als dann der Code
eben immer das Sekundäre ist und die Kabelraten wie die Ver
kehrsintensität jeweils fix gegeben sind; nach ihnen bestimmt
sich dann die Rentabilität für einen einfacheren oder komplizierteren
Code. Dabei kommen allerdings in der Praxis noch die amtlichen
Bestimmungen hinzu, die für die Theorie infolge ihres souveränen
Charakters imponderabil erscheinen. Sie ändern die theoretischen
Verhältnisse aber deshalb wenig, weil hinter ihnen ja doch meist
wirtschaftliche Erwägungen stehen müssen. Dies lassen beispiels
weise manche der Revisionen des Internationalen Telegraphen
vertrages erkennen, in welchen tatsächlich den Codes wirtschaft
lich notwendig gewordene Erweiterungen in den Entwicklungs
bedingungen eingeräumt würden.
Für die Zukunft der Codes kann aus alledem geschlossen
werden, daß nicht einmal auf Basis der heutigen Verhältnisse
ihre Entwicklung schon abgeschlossen zu sein scheint und daß
ferner durch die Evolution des Welthandels eine stete Erhöhung
ihrer Entwicklungsbasis gewährleistet wird.
Die Konkurrenz der drahtlosen Telegraphie, die als zweiter
Ein wand angeführt wird, gilt vielen Fachleuten auch für alle Zu
kunft als unmöglich, gewiß ist sie bei der heutigen Durchbildung
der Erfindung trotz ihrer verlockenden Billigkeit nicht abzusehen.
Erstens soll die drahtlose Telegraphie nicht so rasch und prompt
arbeiten wie das Kabel 1 ), wo also ein solches auch besteht, würden
die drahtlosen Nachrichten a priori für den Kaufmann meist jede
Bedeutung verlieren; dieser Übelstand dürfte wohl durch die
allerneuesten Fortschritte überholt sein 2 ). Auch könnte man hierauf
erwidern, daß dann die drahtlose Telegraphie wenigstens als Er
gänzung zum Kabelnetz denkbar wäre; und tatsächlich wird sie
auch stellenweise schon so verwendet. Immer jedoch ist sie atmo
sphärischen Störungen noch viel zu sehr unterworfen, um in bezug
>) Nach Dr. Roscher.
2) So z. B. die direkte Verbindung zwischen Amerika und England sowie
Deutschland, die schon längere Zeit bestehen, nur für das gewöhnliche Publikum
noch nicht eröffnet sein soll.