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6. Bohrzwang, Bohrverbote und Moratorien.
Ein Bohrzwang für vergebene Naphthafelder in Zeiten un
genügender Produktion ist ohneweiters möglich, wenn auch erhebliche
Wirkungen einer solchen Maßregel nicht erwartet werden können.
Ein Bohrverbot, bzw. die gesetzliche Aufschiebung eingegangener
Bohrverpflichtungen wurde im Jahre 1908 durch den Verband der
deutschen Interessenten an der galizischen Erdölindustrie vorgeschlagen
und auch gelegentlich der im gleichen Jahre einberufenen Naphtha
enquete eingehend erörtert.
Einer gesetzlichen Einstellung der Bohrungen bei bereits in
Betrieb befindlichen Schächten steht die notwendige Rücksicht auf
die Unternehmer, die ihre investierten Kapitalien zu amortisieren haben,
sowie auf die dadurch beschäftigungslos werdende Arbeiterschaft
entgegen. Für Neubohrungen wäre ein Bohrverbot für bestimmte Zeit
denkbar. Aber auch in diesem Falle würden sich infolge der ver
schiedenartigen Rechtsverhältnisse, welche den einzelnen Bohrungen
zu Grunde liegen und wegen der Verschiedenheit der Interessen,
welche die an der Rohölproduktion beteiligten Gruppen verfolgen,
bedeutende Schwierigkeiten ergeben. Überdies wäre in Betracht zu
ziehen, ob die Möglichkeit einer Änderung der Produktionsverhält
nisse in der Zeit, bis die Wirkungen einer solchen Maßregel zum
Vorschein kommen, ein derartiges Eingreifen zuläßt, zumal in Galizien,
wo die Durchführung von Bohrungen regelmäßig außerordentlich
lange Zeit in Anspruch nimmt.
Von einem Moratorium für die Erfüllung von Bohrverträgen
und aus Terrainverträgen hervorgehenden gleichartigen Verpflichtungen
wären entscheidende Wirkungen wohl kaum zu erwarten. Da das
Moratorium für den zur Bohrung Verpflichteten bloß ein Recht be
inhaltet, würde die gegenseitige Konkurrenz der Bohrunternehmer
dazu führen, daß von dem Rechte nur ein minimaler Gebrauch ge
macht würde. Überdies haben die bisherigen Erfahrungen, die man
mit gesetzlichen Moratorien gemacht hat, gezeigt, welch schwere
Schädigungen und Störungen des wirtschaftlichen Lebens damit ver
bunden sind, so daß nur Gründe zwingendster Natur solche Maß
nahmen rechtfertigen können.
B. Direkte Produktionsförderung.
1. Bohrprämien.
Bohrprämien werden von zahlreichen Staaten ausgesetzt, in
denen zwar Vorkommen von Erdöl nachgewiesen ist, aber die Privat
initiative zur Entwicklung einer kräftigen Erdölindustrie nicht
führte. So hat Italien seit 1911 ein für 15 Jahre geltendes
Gesetz, wonach eine staatliche Prämie von 30 Lire für jeden in
Bohrlöchern ausgehobenen Meter bis zu 300 Meter Tiefe gewährt