Full text: XVIII. Jahrbuch der K. K. Exportakademie (18)

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Kleinhandels, an dessen Existenz die Amerikaner im Gegensatz zu 
den früher in Betracht kommenden Großhändlern nur soweit inter 
essiert waren, als die Konsumenten das direkte Kannengeschäft 
ablehnten. 
Die auf diese Weise geschaffene Situation bildete wiederholt 
den Gegenstand eingehender Diskussionen in den gesetzgebenden 
Körperschaften und führte zur Resolution des Reichstages vom 
15. März 1911, durch die die Regierung aufgefordert wurde, Er 
hebungen anzustellen, inwieweit durch das Vorgehen des Standard 
Oil Trusts und ihrer Tochtergesellschaft, der D. A. P. G., die Gefahr 
einer Monopolisierung des deutschen Petroleumhandels unter Aus 
schaltung des Zwischenhandels vorliege und ob unter diesen Um 
ständen die Errichtung einer unter staatlicher Aufsicht stehenden 
Anstalt zum Vertrieb des Petroleums im Interesse der deutschen 
Volkswirtschaft liege. Dieser Resolution folgten zahlreiche ein 
gehende Erörterungen der Petroleumfrage in Literatur und Presse 
und wurde denn auch im November 1912 der Entwurf eines 
Gesetzes über den Verkehr mit Leuchtöl dem Reichstag von der 
Regierung nach den Beschlüssen des deutschen Bundesrates 
vorgelegt. 
Für den Umfang des Monopols kamen ein staatlicher Kauf 
von Rohölgruben im Ausland mit nachfolgender Raffination in 
Deutschland und Verkauf der Fertigprodukte durch das Reich eben 
sowenig in Betracht, wie ein Rohölkauf im Ausland mit staatlicher 
oder privater Raffination in Deutschland und staatlichem Vertriebe. 
Die dazu nötigen enormen Kapitalien, das große Risiko ließen ein 
solches Unternehmen für den Staat nicht vorteilhaft erscheinen. 
Überdies waren die Erfahrungen, die man in Deutschland und 
Frankreich mit den zur Verlegung der Raffination ins Inland ge 
troffenen Maßnahmen gemacht hatte, wenig günstig. Man entschied 
sich daher, den Einkauf von Petroleum mit Überlassung desselben 
an den Kleinhandel zu monopolisieren, demnach für ein Petroleum 
großhandelsmonopol. Auf dieser Grundlage ist der Gesetzentwurf 
aufgebaut, der laut § 1 die Einfuhr und die Herstellung von 
Mineralölen, die zum Brennen auf Lampen geeignet sind (Leuchtöl), 
sowie den Großhandel damit im Zollinland ausschließlich dem Reiche 
vorbehält. Die gegen das Monopolprojekt vorgebrachten prinzipiellen 
Bedenken waren von geringerer Bedeutung. Auch von den über 
zeugten Individualisten wurde das nahezu vollkommene Privat 
monopol der Amerikaner anerkannt und zugegeben, daß^ einem 
Privatmonopol ein Staatsmonopol vorzuziehen sei. Dieser Gedanke 
war ein so allgemeiner, daß man häufig von einem Antimonopol der 
deutschen Regierung sprach. Allerdings wurde vielfach von Gegnern 
des Monopolgedankens die Frage aufgeworfen, oh denn das vor 
geschlagene Monopol das einzige Mittel zur Bekämpfung der 
Amerikaner sei und ob nicht durch Verhandlungen mit den Ameri 
kanern eine Steigerung des Petroleumpreises. wenigstens auf Jahre
	        
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