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durch die Zolltarifnovelle vom Jahre 1885 gestattet worden, rohe
Mineralöle zollfrei aus dem Ausland zu beziehen und den Zoll erst
beim Übergang des raffinierten Petroleums in den Verkehr zu ent
richten. Der Zweck dieser Bestimmung, die Raffination des für den
deutschen Konsum nötigen Petroleums ins Inland zu verlegen, wurde
indes nicht erreicht, da die hohen Frachtkosten leichter von dem
höherwertigen Petroleum, als von dem minderwertigen Rohöl ge
tragen werden konnten. Man hat daher wiederholt eine Differen
zierung zwischen Rohöl- und Petroleumzoll in Deutschland vorge
schlagen und hoffte zugleich, daß die Verlegung der Raffination ins
Inland das Privatmonopol der Standard Oil Oo. in Deutschland be
seitigen werde. Der Verwirklichung dieses Vorschlages standen die
Schwierigkeiten einer zolltechnischen Unterscheidung von rohen und
raffinierten Mineralölen entgegen, die in Österreich und Frankreich
zum Import von sogenanntem Kunstöl, d. i. gereinigtem und mit
Hilfe eines leicht zu entfernenden Zusatzes als Rohöl importierten
Petroleum geführt hat. Auch die Frage der Beschaffung des nötigen
Rohöls und fiskalische Gründe spielten hiebei mit, zumal als das
Reich aus den Petroleumzöllen eine jährliche Einnahme von rund
«0 Millionen Mark erzielt. Was die Bekämpfung der Standard Oil Oo.
durch diese Maßregel anlangt,, so wurde mit Recht entgegnet, daß
der amerikanische Trust ja auch auf die Rohölproduktipn einen be
deutenden Einfluß ausübe und überdies im balle einer solchen Maß
regel so wie in Frankreich, auch in Deutschland unverzüglich Raffi
nerien errichten, bzw. in seine Gewalt bringen würde, so daß
seine Stellung auf dem deutschen Markt eher gestärkt werden
müßte.
Zur dritten Gruppe gehören jene Staaten, welche verschiedene
Zollsätze für Rohöl und Petroleum vorschreiben. So hat Frankreich
auf Grund der Zollgesetzgebung von 1863 und 1892/93 durch
Differenzierung des Rohöl- und Petroleumzolls eine eigene Petroleum
raffination im Inland ins Leben gerufen. Der Zollsatz beträgt für
100 kg rohes Petroleum Frcs. 18, für 100 kg raffiniertes Petroleum
Frcs. 25, nach dem Minimaltarif (per Hektoliter) Frcs. 7.20 und
Frcs. 10. Dagegen ist es trotz dieses Zollschutzes nicht gelungen,
die Unabhängigkeit der französischen Raffinationsindustrie von der
Standard Oil Co. zu wahren, sondern wußte sich die letztere nach
langen Preiskämpfen fast sämtliche französischen Raffineure vertrag
lich zu verpflichten.
Einen verhältnismäßig geringen Zollschutz benötigt Rumänien,
das für 100 kg rohes Petroleum einen Zoll von 2 Lei, für 100 kg
raffiniertes Petroleum 5 Lei einhebt.
Österreich-Ungarn erhebt einen Zoll von K 8'30 für rohes Mineralöl
und Iv 11 für raffinierte oder halbraffinierte Ware. Die Entwicklung
des Zöllschutzes für die Petroleumindustrie in Österreich wurde
bereits besprochen.
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