Full text: 19. Jahrbuch der K. K. Exportakademie (19)

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einschneidender Weise beeinflußt. Freilich wird hiebei nicht immer 
die Ästhetik zu Rate gezogen. 
Die aus Amerika und England herubergekommene Manie, 
auch im mündlichen Verkehr Abkürzungen zu gebrauchen, scheint 
auf den Telegraphenstil zurückzugehen. — Die so sehr gepriesene 
Ersparnis an Zeit müßte freilich mit einem Präzisionsinstrumente 
gemessen werden. Ich wenigstens habe in England oft tue Beobach 
tung gemacht, daß wenn beispielsweise von einem M. I - (Member ot 
Parlament) gesprochen wurde, der Zuhörer erst nach dreimaliger 
Wiederholung begriff, von wem eigentlich die Rede war. 
Wie Völker und Rassen, so kämpfen auch die Sprachen um die 
Hegemonie. Entweder unterliegt eine Sprache und verschwindet 
vollständig, oder sie ist ihrer Gegnerin ebenbürtig, dann mischen 
sich beide Sprachen. . , 
Wenn seltsamerweise eine Handvoll Basken m einem Winkel 
fortlebt, wenn irgend eine versprengte sächsische Sprachinsel in 
finnischer Umgebung sich zu erhalten vermag, wenn die stark zu 
sammengeschmolzenen Finnen selbst zwischen fremden gewti igcn 
Sprachstämmen fortbestehen, so sind es ganz besondere Umstande, 
die derartige Phänomene zustande bringen. Im allgemeinen ist ein 
friedliches Nebeneinanderleben von verschiedenen Idiomen aut 
gleichem Territorium ungemein schwierig. 
Wenn häufig mit einer gewissen Genugtuung auf die 
Schweiz hingewiesen wird, wo Rätoromanen, Italiener, Franzosen 
und Deutsche friedlich nebeneinander leben, so ist dies eine 
naive Auffassung der Sprachverhältmsse. Der lag der end 
gültigen Lösung ist eben noch nicht erschienen. Naturgesetze 
können wohl aufgeschoben aber nicht aufgehoben werden. 
Niemand kann das Schicksal der Kultursprachen, der Sprachen 
überhaupt mit Bestimmtheit Voraussagen. Doch wenn wir 
einander immer ähnlicher werden, wie die Lebensgewoün 
heilen sieh zusehends angleichen, können wir uns dem Gedanken 
nicht verschließen, daß auch die Sprachen, und zwar zunächst 
die Kultursprachen einander naherrucken. Es ist wohl kei 
Übertreibung, wenn schon heute von einer gegenseitigen 
Durehtränkilng «i 8 r europäischen Kulturspruchet, 
wird Man denke nur an die unzähligen überall identischen 
Ausdrücke und termini der Industrie und des' Handels; man 
denke an die vielen allgemein geltenden 
drücke in der Musik; an die französischen Gruß- und Hofliehkeits- 
tarmen; an die englischen allerort üblichen Sportbezeichnungen; 
an die zahlreichen, sich stets mehrenden, dem Deutschen cn 
nommenen Ausdrücke aus allen Gebieten der f«»eMehaft, die 
überall Aufnahme gefunden haben, von den dun-Latein und 
Griechischen entlehnten Fachausdrucken gar nicht zu reden. 
Es ist zwar sehr wohl begreiflich, daß sich ein hoch ent 
wickeltes Sprachgefühl gegen das Eindringen von Fremdwörtern
	        
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