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einschneidender Weise beeinflußt. Freilich wird hiebei nicht immer
die Ästhetik zu Rate gezogen.
Die aus Amerika und England herubergekommene Manie,
auch im mündlichen Verkehr Abkürzungen zu gebrauchen, scheint
auf den Telegraphenstil zurückzugehen. — Die so sehr gepriesene
Ersparnis an Zeit müßte freilich mit einem Präzisionsinstrumente
gemessen werden. Ich wenigstens habe in England oft tue Beobach
tung gemacht, daß wenn beispielsweise von einem M. I - (Member ot
Parlament) gesprochen wurde, der Zuhörer erst nach dreimaliger
Wiederholung begriff, von wem eigentlich die Rede war.
Wie Völker und Rassen, so kämpfen auch die Sprachen um die
Hegemonie. Entweder unterliegt eine Sprache und verschwindet
vollständig, oder sie ist ihrer Gegnerin ebenbürtig, dann mischen
sich beide Sprachen. . ,
Wenn seltsamerweise eine Handvoll Basken m einem Winkel
fortlebt, wenn irgend eine versprengte sächsische Sprachinsel in
finnischer Umgebung sich zu erhalten vermag, wenn die stark zu
sammengeschmolzenen Finnen selbst zwischen fremden gewti igcn
Sprachstämmen fortbestehen, so sind es ganz besondere Umstande,
die derartige Phänomene zustande bringen. Im allgemeinen ist ein
friedliches Nebeneinanderleben von verschiedenen Idiomen aut
gleichem Territorium ungemein schwierig.
Wenn häufig mit einer gewissen Genugtuung auf die
Schweiz hingewiesen wird, wo Rätoromanen, Italiener, Franzosen
und Deutsche friedlich nebeneinander leben, so ist dies eine
naive Auffassung der Sprachverhältmsse. Der lag der end
gültigen Lösung ist eben noch nicht erschienen. Naturgesetze
können wohl aufgeschoben aber nicht aufgehoben werden.
Niemand kann das Schicksal der Kultursprachen, der Sprachen
überhaupt mit Bestimmtheit Voraussagen. Doch wenn wir
einander immer ähnlicher werden, wie die Lebensgewoün
heilen sieh zusehends angleichen, können wir uns dem Gedanken
nicht verschließen, daß auch die Sprachen, und zwar zunächst
die Kultursprachen einander naherrucken. Es ist wohl kei
Übertreibung, wenn schon heute von einer gegenseitigen
Durehtränkilng «i 8 r europäischen Kulturspruchet,
wird Man denke nur an die unzähligen überall identischen
Ausdrücke und termini der Industrie und des' Handels; man
denke an die vielen allgemein geltenden
drücke in der Musik; an die französischen Gruß- und Hofliehkeits-
tarmen; an die englischen allerort üblichen Sportbezeichnungen;
an die zahlreichen, sich stets mehrenden, dem Deutschen cn
nommenen Ausdrücke aus allen Gebieten der f«»eMehaft, die
überall Aufnahme gefunden haben, von den dun-Latein und
Griechischen entlehnten Fachausdrucken gar nicht zu reden.
Es ist zwar sehr wohl begreiflich, daß sich ein hoch ent
wickeltes Sprachgefühl gegen das Eindringen von Fremdwörtern