Full text: 19. Jahrbuch der K. K. Exportakademie (19)

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sträubt und sich gegen jede Bastardierung der Sprache auflehnt, 
und es unterliegt auch keinem Zweifel, daß eine wohl entwickelte 
Sprache auf jede derartige Zufuhr verzichten kann. Nichtsdesto 
weniger aber wird keine Verordnung, kein Sprachverein, keine 
Schule, keine Erziehung das Eindringen von Fremdwörtern ver 
hindern können. 
Als seinerzeit der bekannte Generalpostmeister Stephan, der 
sich unstreitig große Verdienste um den Weltverkehr erworben 
hat, die fast überall gebrauchten und verstandenen Ausdrücke: 
poste restante, rekommandiert etc. ausgemerzt hatte, sah man dies 
für eine große Leistung an. Man darf jedoch bezweifeln, ob diese 
Errungenschaft wirklich so hoch anzuschlagen ist. Dabei hat der 
genannte Sprachreiniger übersehen, seinen eigenen Titel: General 
postmeister ins Reindeutsche zu übertragen, und, was noch schlimmer 
ist, er hat die Aufnahme des undeutschen Adjektivums „postalisch” 
zugelassen. 
Allerdings kann man nicht oft genug wiederholen, daß jede 
lebensfähige Sprache, und besonders eine zur höchsten Entfaltung 
gelangte, wie die deutsche, imstande ist, ein jedes Fremdwort 
durch ein einheimisches zu ersetzen. Wenn Schiffer das Wort 
„Pedant” als unersetzlich erklärt, muß man diese weitgehende 
Nachsicht bewundern. Denn tatsächlich ersetzt unser „Haarspalter” 
oder „ Kleinigkeitskrämer * das erwähnte Fremdwort in genügender 
Weise. Den etwas roheren Ausdruck .Schulfuchs dürfen wir hier 
nicht anführen, da der erste Bestandteil dieses Wortes auf das 
lateinische schola zurückgeht. 
So ließen sich die Wörter „Technik" und „Analphabet , die 
als unübertragbar gelten, mit „Mache” und „Olmbuchstab' über 
setzen. Es ist ja doch nur die Länge der Zeit, die Gewohnheit 
des Gebrauches, die dem Worte seine Bedeutung verleiht. Das 
Wort muß sich eben sein Recht auf die Bedeutung ersitzen. Das 
ziemlich oft gebrauchte Wort „Blaustrumpf” bedeutet „eine ge 
lehrte Frau”. Dieser Ausdruck ist wie das französische „bas bleu" 
eine Nachahmung des englischen „blue-stoeking”. Der englische 
Ausdruck verdankt seinen Ursprung den blauen Strümpfen des 
Gelehrten Stillingfleet, in denen er sich um die Mitte des 18. Jahr 
hunderts an den literarischen Gesellschaften im Hause der Mrs. 
Elizabeth Montagu in London beteiligte. Es hätte sicherlich ebenso 
viel Sinn gehabt, den englischen Ausdruck zu übernehmen, wie 
dies auch wirklich in vielen anderen Fällen geschehen ist. 
Nicht selten tritt der Fall ein, daß ein Wort aus einer Sprache 
in eine andere übergeht’ und später in einer Verkleidung in ihre 
alte Heimat wieder zurückkehrt. So sind beispielsweise die fran 
zösischen Worte: Fauteuil (ursprünglich Faltstuhl), Bivouac (Bei 
wacht), Boulevard (Bollwerk), Marschall (Mähre-Schalk), Loge 
(Laube) etc., die ursprünglich deutsch waren, in fremdem Gewände 
entlehnt worden. Alle diese Wahrnehmungen lassen den Keim 
eines Weltorgans, einer gemeinsamen Zukunftsspraehe ahnen. 
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