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sträubt und sich gegen jede Bastardierung der Sprache auflehnt,
und es unterliegt auch keinem Zweifel, daß eine wohl entwickelte
Sprache auf jede derartige Zufuhr verzichten kann. Nichtsdesto
weniger aber wird keine Verordnung, kein Sprachverein, keine
Schule, keine Erziehung das Eindringen von Fremdwörtern ver
hindern können.
Als seinerzeit der bekannte Generalpostmeister Stephan, der
sich unstreitig große Verdienste um den Weltverkehr erworben
hat, die fast überall gebrauchten und verstandenen Ausdrücke:
poste restante, rekommandiert etc. ausgemerzt hatte, sah man dies
für eine große Leistung an. Man darf jedoch bezweifeln, ob diese
Errungenschaft wirklich so hoch anzuschlagen ist. Dabei hat der
genannte Sprachreiniger übersehen, seinen eigenen Titel: General
postmeister ins Reindeutsche zu übertragen, und, was noch schlimmer
ist, er hat die Aufnahme des undeutschen Adjektivums „postalisch”
zugelassen.
Allerdings kann man nicht oft genug wiederholen, daß jede
lebensfähige Sprache, und besonders eine zur höchsten Entfaltung
gelangte, wie die deutsche, imstande ist, ein jedes Fremdwort
durch ein einheimisches zu ersetzen. Wenn Schiffer das Wort
„Pedant” als unersetzlich erklärt, muß man diese weitgehende
Nachsicht bewundern. Denn tatsächlich ersetzt unser „Haarspalter”
oder „ Kleinigkeitskrämer * das erwähnte Fremdwort in genügender
Weise. Den etwas roheren Ausdruck .Schulfuchs dürfen wir hier
nicht anführen, da der erste Bestandteil dieses Wortes auf das
lateinische schola zurückgeht.
So ließen sich die Wörter „Technik" und „Analphabet , die
als unübertragbar gelten, mit „Mache” und „Olmbuchstab' über
setzen. Es ist ja doch nur die Länge der Zeit, die Gewohnheit
des Gebrauches, die dem Worte seine Bedeutung verleiht. Das
Wort muß sich eben sein Recht auf die Bedeutung ersitzen. Das
ziemlich oft gebrauchte Wort „Blaustrumpf” bedeutet „eine ge
lehrte Frau”. Dieser Ausdruck ist wie das französische „bas bleu"
eine Nachahmung des englischen „blue-stoeking”. Der englische
Ausdruck verdankt seinen Ursprung den blauen Strümpfen des
Gelehrten Stillingfleet, in denen er sich um die Mitte des 18. Jahr
hunderts an den literarischen Gesellschaften im Hause der Mrs.
Elizabeth Montagu in London beteiligte. Es hätte sicherlich ebenso
viel Sinn gehabt, den englischen Ausdruck zu übernehmen, wie
dies auch wirklich in vielen anderen Fällen geschehen ist.
Nicht selten tritt der Fall ein, daß ein Wort aus einer Sprache
in eine andere übergeht’ und später in einer Verkleidung in ihre
alte Heimat wieder zurückkehrt. So sind beispielsweise die fran
zösischen Worte: Fauteuil (ursprünglich Faltstuhl), Bivouac (Bei
wacht), Boulevard (Bollwerk), Marschall (Mähre-Schalk), Loge
(Laube) etc., die ursprünglich deutsch waren, in fremdem Gewände
entlehnt worden. Alle diese Wahrnehmungen lassen den Keim
eines Weltorgans, einer gemeinsamen Zukunftsspraehe ahnen.
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