Full text: 19. Jahrbuch der K. K. Exportakademie (19)

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Ihn befriedigende Massenproduktion verbrauchen und erzeugen 
Waren in großen Mengen und gleicher Art, die einen großen 
Markt schaffen, in dem die Entwicklung des Terminhandels und 
der Spekulation eine natürliche Folge der Überwindung des zeit 
lichen Unterschiedes zwischen Erzeugung und Verbrauch ist. 
Hieraus folgt aber weiter, daß die modernen Wirtschaftsverhält 
nisse Zeitgeschäft und Spekulation begünstigen, daß ihr erst in 
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angetretener Siegeszug 
noch lange nicht beendet ist, sondern sich noch auf manches 
Gebiet erstrecken wird. Sie beschränken sich heute nicht mehr 
auf ihre alten Domänen, den Getreide-, den Zucker-, den Kaffee 
handel, unaufhaltsam dringen sie auf neuen Boden vor, wo 
Massenkonsum und -produktion dieselben Bedingungen schaffen 
wie dort, wo die zeitliche Bereitstellung der Ware heute des 
Terminmarktes nicht mehr entbehren kann, wie z. B. im Baum- 
woll-, Eisen-, Kupfer-, Zinn-, Blei-, Kautschuk- und Kammzughandel. 
Bietet die zeitliche Bereitstellung solch spekulativer Waren dem 
Handel immer wieder Neuland, so beweist die moderne Geschäfts 
technik, daß er sich dasselbe durch Übernahme des Preisrisikos 
auch zu erschließen versteht 1 ), bei dessen Versicherung er aller 
dings des Termingeschäftes nicht entraten kann. 
Demgegenüber soll nicht übersehen werden, daß die zeitliche 
Funktion des Handels durch die Entwicklungstendenzen der 
kapitalistischen Koalition, vor allem durch die Unternehmerver 
bände in einzelnen Fällen wesentliche Einbuße erlitten hat, da 
diese versuchen, das Angebot durch Regelung der Produktion 
mit der Nachfrage in Einklang zu bringen“) und die Preise be 
stimmen. Allerdings gilt dies zunächst wieder von Wirtschafts 
gebieten, welche durch Zollschranken abgesperrt sind, doch hat 
es auch an Versuchen nicht gefehlt, den Weltmarkt in dieser 
Richtung zu beeinflussen, wie die von Staats wegen durchgeführte 
Kaffeevalorisation Brasiliens und andere ähnliche Aktionen dartun 3 ). 
') So bürgert sich im Handel mit nordamerikanischer Baumwolle das 
„On Call-Geschäft” immer mehr ein, bei dem dem Händler (europ. Importeur) 
vom amerikanischen Ablader beim Einkäufe, vom Spinner beim Verkaufe der 
Preis zu einem innerhalb gewisser Grenzen beliebigen Zeitpunkte nach der 
Terminnotierung bestimmt wird. Frankfurter Ztg. 14. Febr. 1914. Ähnlich 
übernimmt im Berliner Getreidehandel beim sogenannten „Anstellungsgesehäfte” 
der Händler das Preisrisiko, indem er auf Grund der amerikanischen An 
fangsnotierung einen Preis vom Abend bis zum nächsten Mittag fest offeriert, 
trotzdem sich doch mittlerweile die Kurse auf den amerikanischen Märkten 
verändern. Ebenso die „Borggeschäfte” in Raffinadezucker, siehe Josef Bohrer. 
Der Zuckerhandol in Österreich-Ungarn. Österr. Handelsschulzeitung. No 
vember 1912. 
3 ) So produziert das österreichische Spirituskartell nur eben so viel, als für 
den Bedarf der nächsten 3 bis 4 Wochen benötigt wird, wodurch der Händel 
der zeitlichen Bereitstellung enthoben, die Spekulation aber ganz ausgeschaltet 
wird. Anderseits erhöht die von den Kartellen häufig gepflogene Ablehnung 
einer Lieferfrist die Bedeutung des Lagerhaltens im Handel. 
3 ) Siehe Dr, J. F. Schär: Handelsbotriebslehre, I., S. 151. 
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