Vorwort.
Die serbische Industrie — ja, gibt es denn das überhaupt?
— wird mancher überrascht ausrufen. Und in der Tat ist eine
solche Vorstellung gar nicht im Einklang mit den Schilderungen,
die uns eine kriegsbegeisterte Presse von Serbien gegeben hat,
einem Lande, das man sich als nur von Schweinezüchtern, Schaf
hirten und Meuchelmördern bewohnt vorzustellen hatte. Nein, im
Ernst, wir wußten im allgemeinen herzlich wenig von diesem von
der Natur so reich gesegneten Lande, dieser Pforte zum Orient,
wie man es genannt hat. Und doch war Serbien neben den übrigen
Balkanländern ein Hauptabnehmer unserer industriellen Erzeug
nisse; daß wir anderseits den Serben aus Rücksicht auf Ungarn
ihr überschüssiges Vieh und Getreide nicht abnehmen durften,
hatte nicht nur die bekannten politischen Folgen, sondern führte
auch zu einer Erstarkung ihrer Industrie.
Die vorliegende Schrift stellt sich nun die Aufgabe, eine
kurze, daher keineswegs erschöpfende Darstellung des serbischen
Klein- und Großgewerbes zu geben, und zwar zur Zeit vor dem
Krieg und besonders während der Besetzung durch Österreich-
Ungarn und Bulgarien; anschließend soll auf künftige Entwicklungs-
möglichkeiten hingewiesen werden.
Dabei ist aber unbedingt notwendig, vorher eine Schilderung
der gegenwärtigen Lage der Landwirtschaft und Viehzucht zu geben,
die ja in erster Linie die serbische Industrie mit Rohstoffen zu
versorgen haben; auch die übrigen einheimischen Rohstoffquellen,
wie Wald und Bodenschätze, sollen vorher besprochen werden.
Der Verfasser hat als Teilnehmer einer vom Kommando des
Kriegspressequartiers in der zweiten Julihälfte 1917 veranstalteten
Studienreise heimischer Fachleute nach dem damaligen k. u. k.
serbischen Besetzungsgebiet Gelegenheit, vieles^ aus eigener An
schauung kennen zu lernen, so daß diese Schrift zugleich einen
Bericht über diese Reise bildet.
Eine weitere Quelle für diese Studie bildet der ausgezeich
nete Bericht, den Prof. Dr. Norbert Krebs 1 ) über zwei von der
i) Prof. Dr. Norbert Krebs, Wirtscbaftsgeosraphische Beobachtungen
auf den beiden Studienreisen in Serbien. Mit statistischen Tabellen von Doz.
Dr. Hermann Leiter. Separatabdruck aus den „Mittedungen der k. k. Geo
graphischen Gesellschaft in Wien”, 1917, Bd. 60, Heft 4.
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