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ist 1 ). Aber immerhin wird man doch eine Reihe von Industrie
zweigen namhaft machen können, die in dem rohstoffreichen
Balkanland günstige Bedingungen vorfinden, während anderseits
gewisse Fabrikationen, wie z. B. die Teerfarbenerzeugung, von
Haus aus nicht in Betracht kommen können.
Als hemmender Umstand für den Wiederaufbau und die
Weiterentwicklung der serbischen Industrie ist vor allem der
starke Bevölkerungsrückgang hervorzuheben, den die zwei Balkan
kriege und der jetzige Krieg verursacht haben. So hatte z. B. der von
Österreich-Ungarn besetzte Teil Serbiens Ende 1910 (mit Ausnahme
des Sandschaks-Novipazar) 1,568.000, im Juli 1916 nur l,218.000 Ein
wohner (mit dem Sandschak 1,870.000), was einem Abgang von
22% entspricht. Allerdings ist anzunehmen, daß eine so lebens
kräftige Rasse, wie das serbische Bauernvolk, den Verlust ver
hältnismäßig bald hereinbringen wird. Ferner ist zu bedenken,
daß die meisten Staaten nach dem Kriege die geleerten Speicher
und stark gelichteten Viehbestände wieder werden auffüllen müssen,
ein Bedürfnis, dessen Dringlichkeit mit der Dauer des Krieges
wächst, so daß also zunächst Ackerbau und Viehzucht, deren Be
triebsbedingungen zudem nicht erst geschaffen werden müssen,,
weitaus einträglicher sein werden als gewerbliche Tätigkeit. Nur
wird es notwendig sein, durch intensive Wirtschaft dem Boden
größere Erträge abzugewinnen; die österreichisch - ungarische
Militärverwaltung kann jedenfalls das Verdienst für sich in An
spruch nehmen, die serbische Landbevölkerung durch unermüdliche
Aufklärung, manchmal unvermeidlicherweise vereint mit sanftem
Zwang, auf den richtigen Weg geleitet zu haben. Der serbische
Landmann, der die überlegene Leistungsfähigkeit der Maschinen
gegenüber der Handarbeit kennen gelernt hat, wird sie auch im
kommenden Frieden mit seiner Leutenot nicht missen wollen und
danach trachten, sich sobald als möglich landwirtschaftliche Ma
schinen zu verschaffen. Allerdings wird die Bezahlung anfangs
Schwiexigkeiten machen, aber anderseits kann man als sicher an
nehmen, daß die künftige serbische Regierung durch entsprechende
Staatsbeihilfe die Verbreitung von landwirtschaftlichen Maschinen
fördern wird, um die Produktionskraft dos Landes möglichst zu
steigern. Eine geraume Zeit wird wohl vergehen, bis der arg mit
genommene Viehstand wieder seine frühere Höhe erreichen wird.
Wenn dann Landwirtschaft und Viehzucht wieder Geld ins Land
gebracht haben werden, wird Serbien zunächst seine Verkehrswege
ausgestalten müssen, um seine Rohstoffquellen besser auszunützen
und Handel und Industrie zu beleben. Wildbäche und Flüsse wären
zu regulieren, Talsperren anzulegen, um billige elektrische Energie
zu gewinnen. Denn diese wird, solange es nicht gelingt, größere
Lager von hochwertiger und womöglich verkokungsfähiger Stem-
*) Diese Zeilen wurden im Dezember 1917 geschrieben: seither haben ja-
verschiedene Fragen, wenn aucn nicht alle, eine Klärung erfahren.