Full text: 20. Jahrbuch der Exportakademie (20)

kohle zu erschließen, für die Industrie in Serbien von derselben 
großen Bedeutung sein, wie in Italien, der Schweiz und Skandi 
navien. In Altserbien scheinen allerdings die noch gewinnbaren 
Energiemengen nicht sehr groß zu sein, weil nur wenig größere 
Flüsse mit geringen Gefällen und sehr unregelmäßiger Wasser 
führung vorhanden sind, wodurch sich die Anlagekosten für 
Wasserkraftanlagen ziemlich hoch stellen. Eine Wiederaufforstung 
der entholzten Gebirgsgegenden käme auch einer gleichmäßigeren 
Wasserführung sehr zu statten. -Hingegen sind die Verhältnisse in 
Mazedonien, wo es einige größere Wasserkräfte gibt, viel günstiger. 
Sollte einmal der Donau-Oderkanal zur Tat werden, würde auch 
deutsche Kohle verhältnismäßig billig zu beschaffen sein. Auch 
Treiböl aus rumänischem Erdöl, in Dieselmotoren verbrannt, 
könnte möglicherweise als billige Energiequelle in Betracht kommen. 
Selbstverständlich wird das Schrittmaß der hier in groben 
Umrissen skizzierten Entwicklung sehr viel von gegenwärtig noch 
unbekannten Umständen abhängvn: von den künftigen Grenzen 
des serbischen Staates, dem Anteil an der Meeresküste mit Hafen 
städten, den Handelsverträgen und vor allem davon, ob überhaupt 
ein dauernder Zustand geschaffen wird, der eine ruhige Kntwicklung 
gewährleistet und die Beteiligung fremden Kapitals begünstigt. 
Denn die sorbische Bevölkerung stand industriellen Unterneh 
mungen stets mit einem ziemlichen Mißtrauen gegenüber UDd war 
daher nicht geneigt, ihr Geld darin anzulegen, was Ja in Anbetracht 
des Zusammenbruchs mancher ausländischer Gesellschaften nicht 
ganz unberechtigt schien. Überhaupt sind einzelne Züge des ser 
bischen Volkscharakters, wie die mit geringer Arbeitsfreude ge 
paarte große Genügsamkeit und die mangelnde Unternehmungslust 
als hemmende Faktoren für die Industrialisierung des Landes zu 
betrachten. Da der Serbe nur höchst ungern eine dienende Stellung 
einnimmt — lieber ist er unter ungünstigeren Verhältnissen auf 
einem Zwergbesitz sein eigener Herr - wird schon die Arbeiter 
frage große Schwierigkeiten machen. 
Wenn Serbien eine wirklich eigene und nicht nur fremd 
ländische Industrie im eigenen Land haben will, so muß auch, 
abgesehen von der sehr notwendigen Hebung der allgemeinen 
Volksbildung, durch Schaffung technischer Schulen niederen und 
höheren Ranges für die Heranbildung von einheimischen Werk 
meistern und Ingenieuren gesorgt Werden; denn bisher geschah 
«s nicht selten, daß von Ausländern, geschaffene Fabriksbetricbe 
trotz Ausrüstung mit den neuesten Maschinen oder vielleicht gerade 
deshalb unter serbischer Leitung zugrunde gingen. Die nach dem 
Vorgesagten noch in ziemlicher Ferne liegende Industrialisierung 
Serbiens wird zunächst zu einer weiteren Ausgestaltung der schon 
vorhandenen und dann zur Entstehung neuer Industrien führen. 
In erster Linie wird man natürlich bald nach dem Kriege an den 
Wiederaufbau der zerstörten Fabriksanlagen schreiten; bei dem 
Mangel an Rohstoffen, Kohle und Arbeitern hätte es für die
	        
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