kohle zu erschließen, für die Industrie in Serbien von derselben
großen Bedeutung sein, wie in Italien, der Schweiz und Skandi
navien. In Altserbien scheinen allerdings die noch gewinnbaren
Energiemengen nicht sehr groß zu sein, weil nur wenig größere
Flüsse mit geringen Gefällen und sehr unregelmäßiger Wasser
führung vorhanden sind, wodurch sich die Anlagekosten für
Wasserkraftanlagen ziemlich hoch stellen. Eine Wiederaufforstung
der entholzten Gebirgsgegenden käme auch einer gleichmäßigeren
Wasserführung sehr zu statten. -Hingegen sind die Verhältnisse in
Mazedonien, wo es einige größere Wasserkräfte gibt, viel günstiger.
Sollte einmal der Donau-Oderkanal zur Tat werden, würde auch
deutsche Kohle verhältnismäßig billig zu beschaffen sein. Auch
Treiböl aus rumänischem Erdöl, in Dieselmotoren verbrannt,
könnte möglicherweise als billige Energiequelle in Betracht kommen.
Selbstverständlich wird das Schrittmaß der hier in groben
Umrissen skizzierten Entwicklung sehr viel von gegenwärtig noch
unbekannten Umständen abhängvn: von den künftigen Grenzen
des serbischen Staates, dem Anteil an der Meeresküste mit Hafen
städten, den Handelsverträgen und vor allem davon, ob überhaupt
ein dauernder Zustand geschaffen wird, der eine ruhige Kntwicklung
gewährleistet und die Beteiligung fremden Kapitals begünstigt.
Denn die sorbische Bevölkerung stand industriellen Unterneh
mungen stets mit einem ziemlichen Mißtrauen gegenüber UDd war
daher nicht geneigt, ihr Geld darin anzulegen, was Ja in Anbetracht
des Zusammenbruchs mancher ausländischer Gesellschaften nicht
ganz unberechtigt schien. Überhaupt sind einzelne Züge des ser
bischen Volkscharakters, wie die mit geringer Arbeitsfreude ge
paarte große Genügsamkeit und die mangelnde Unternehmungslust
als hemmende Faktoren für die Industrialisierung des Landes zu
betrachten. Da der Serbe nur höchst ungern eine dienende Stellung
einnimmt — lieber ist er unter ungünstigeren Verhältnissen auf
einem Zwergbesitz sein eigener Herr - wird schon die Arbeiter
frage große Schwierigkeiten machen.
Wenn Serbien eine wirklich eigene und nicht nur fremd
ländische Industrie im eigenen Land haben will, so muß auch,
abgesehen von der sehr notwendigen Hebung der allgemeinen
Volksbildung, durch Schaffung technischer Schulen niederen und
höheren Ranges für die Heranbildung von einheimischen Werk
meistern und Ingenieuren gesorgt Werden; denn bisher geschah
«s nicht selten, daß von Ausländern, geschaffene Fabriksbetricbe
trotz Ausrüstung mit den neuesten Maschinen oder vielleicht gerade
deshalb unter serbischer Leitung zugrunde gingen. Die nach dem
Vorgesagten noch in ziemlicher Ferne liegende Industrialisierung
Serbiens wird zunächst zu einer weiteren Ausgestaltung der schon
vorhandenen und dann zur Entstehung neuer Industrien führen.
In erster Linie wird man natürlich bald nach dem Kriege an den
Wiederaufbau der zerstörten Fabriksanlagen schreiten; bei dem
Mangel an Rohstoffen, Kohle und Arbeitern hätte es für die