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Der Zellstoff dient bekanntlich nicht nur als Rohstoff für mittel
feine Pap.ersorten, von denen im Kriege das Spinnpapier eine
besondere Bedeutung erlangt hat, sondern man macht auch auf
direktem Wege Zellulosegarne, ferner Nitrozellulose und Kunst
seide. Eine sehr aussichtsreiche Holzverwertung, besonders für
Buchenholz ist die Holzverkohlung nach dem Destillations
verfahren. Während bei der alten Meilerverkohlung (S. 59) nur
Holzkohle und allenfalls noch Teer gewonnen wird, erhält man
bei der Holzverkohlung in Retorten außerdem Essigsäure und
Methylalkohol (Holzgeist). Die Retorten, die in verschiedenen
Größen gebaut werden, sind z. B. 3 m lang bei 1 m Durchmesser,
sie werden von außen mit einer Kohlen- oder Holzt'euerung auf
etwa 300° erhitzt. Dadurch tritt ähnlich wie bei der Leuchtgas
erzeugung eine chemische Zersetzung der Bestandteile des Holzes
ein, das dabei in Holzkohle umgewandelt wird; Teer, roher Holz
essig und Holzgas entweichen. Der schwerflüchtige Teer wird
schon durch den luftgekühlten Teerscheider, der rohe Holzessig
durch wassergekühlte Röhren verflüssigt, während das Holzgas
unter den Retorten verbrannt, an Brennstoff sparen hilft. Aus
100 k<7 vorgetrocknetem Rotbuchenholz mit 20°/ 0 Wassergehalt
erhält man bei einer ungefähr iSstündigen Destillationsdauer:
30 kg Holzkohle (gegen 2Q bis 25% bei der Meilerverkohlung)
40 kg rohen Holzessig (enthaltend l r(3% Säuren und 3*1% Holzgeist)
6 kg Holzteer
24 kg Holzgas.
Zur Heizung sind 10 - 9 ky Steinkohle notwendig.
Während die Holzkohle und der Holzteer ohneweiters ver
käuflich sind, stellt der rohe Holzessig noch keine fertige Handels
ware vor, wenn auch geringe Mengen zum „Schnellräuchern” von
Fleisch verwendet werden. Er bildet eine rötliche, scharf nach
Essigsäure und Teer riechende Flüssigkeit, die der Hauptsache
nach aus Wasser, 10% Essigsäure, 2% Methylalkohol und 0'4%
Aceton besteht. Der Rohessig wird noch einmal destilliert, wobei
man die Dämpfe durch heiße Kalkmilch gehen läßt. Diese bindet
die Essigsäure zu essigsaurem Kalk, während die Metbylalkohol-
und Acetondämpfe weitergehen und in einem Kühler zu einem
l0%igen Holzgeist verflüssigt werden. Die aus der Kalkmilch ent
standene Lösung von essigsaurem Kalk wird zu einer trockenen
krümeligen Masse von grauer Farbe eingedampft, die als „Grau
kalk” eine wichtige Handelsware bildet. 1913 führte Deutschland,
meist aus Amerika, 20.900 t ein.
Die weitere Verarbeitung des Graukalks, dm* 80 bis 82%
chemisch reinen essigsauren Kalk enthält, geschieht in den Holz
essigfabriken und besteht im wesentlichen in einer Zerlegung
durch Schwefelsäure, die mit dem Kalk Gips bildet, während die
freie Essigsäure abdestilliert wird. Der erhaltene 75%ige Rohessig
wird dann durch eigene Rektifizierapparate zum größeren Teil in