Full text: 22. Jahrbuch der Hochschule für Welthandel (22)

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aber nur zu einer einzigen frei. Nur darf die Gruppenbildung 
nicht nach der politischen Parteizugehörigkeit geschehen, diese 
soll innerhalb der einzelnen Wahlkörper sich ausleben. Diese 
Gruppierung hat vielmehr nach wirtschaftlichen und geistigen 
Richtungen zu erfblgen; es wird z. B. eine Gruppe der beamteten 
Juristen, der Ärzte, der Lehrpersonen, der Kleinkaufleute, der 
Künstler, der Fabriksarbeiter, der gewerblichen Hilfsarbeiter im 
Kleingewerbe, der Bauern, der Bauernknechte usf. geben. Der 
Vermehrung oder Verminderung und der Zusammenlegung ein 
ander nahestehender, je für sich zu wenig zahlreicher Gruppen 
steht kein Hindernis entgegen. Eine derart gewählte Volks 
repräsentation wird freilich noch immer kein völlig getreues Ab 
bild der im Staate vertretenen Interessen ergeben; denn sie be 
rücksichtigt nur die einigermaßen zahlreicher vertretenen Inter 
essen und, was schwerer wiegt, sie gewährt den einzelnen Gruppen 
nur so viel Bodenfläche, als der Wählerzahl entspricht, nicht so 
viel, als der Bedeutung der einzelnen Gruppen für das Staats 
leben zukommt. Aber das vorgeschlagene Wahlsystem gewähr 
leistet in ungleich höherem Maß als das bisherige, daß alle 
einigermaßen wichtigen Interessengruppen in der Nationalver 
sammlung Vertreter haben. Eine derart zusammengesetzte Volks 
vertretung hat, wie sich von selbst versteht, stets einen starken 
Rückhalt im Volk und eine starke Resonanz für ihre Beschlüsse 
in diesem. 
Es mag schon sein, daß ein Parlament, zusammengesetzt nach 
dem Systeme der idealen Interessenvertretung, das Regieren nicht 
erleichtert. Zwar wird es in einem solchen Parlamente gewiß 
ebenso politische Parteien wie bisher geben; werden doch die 
politischen Wahlkämpfe nur aus den Wahlbezirken in dieWahl- 
körper verlegt. Aber die Verschiedenheit der zur Vertretung ge 
langenden Interessen wird die Unterwerfung unter ein Parteidiktat 
gewiß ebenso erschweren wie das stärkere Hervortreten von 
Individualitäten unter den Abgeordneten, welche dieses System 
möglich machen wird. Aber diese Erschwerung der Geschäfts 
abwicklung kann nicht als ein ernstliches Argument gegen die 
vorgeschlagene Einrichtung in Betracht kommen. 
Bedenklicher wird auf den ersten Blick die Ähnlichkeit des 
vorgeschlagenen Systems mit jenem der historischen Interessen 
vertretung, z. B. des alten österreichischen Kurienparlaments auf 
lallen. Aber diese Ähnlichkeit ist nur eine äußerliche. Denn dieses
	        
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