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aber nur zu einer einzigen frei. Nur darf die Gruppenbildung
nicht nach der politischen Parteizugehörigkeit geschehen, diese
soll innerhalb der einzelnen Wahlkörper sich ausleben. Diese
Gruppierung hat vielmehr nach wirtschaftlichen und geistigen
Richtungen zu erfblgen; es wird z. B. eine Gruppe der beamteten
Juristen, der Ärzte, der Lehrpersonen, der Kleinkaufleute, der
Künstler, der Fabriksarbeiter, der gewerblichen Hilfsarbeiter im
Kleingewerbe, der Bauern, der Bauernknechte usf. geben. Der
Vermehrung oder Verminderung und der Zusammenlegung ein
ander nahestehender, je für sich zu wenig zahlreicher Gruppen
steht kein Hindernis entgegen. Eine derart gewählte Volks
repräsentation wird freilich noch immer kein völlig getreues Ab
bild der im Staate vertretenen Interessen ergeben; denn sie be
rücksichtigt nur die einigermaßen zahlreicher vertretenen Inter
essen und, was schwerer wiegt, sie gewährt den einzelnen Gruppen
nur so viel Bodenfläche, als der Wählerzahl entspricht, nicht so
viel, als der Bedeutung der einzelnen Gruppen für das Staats
leben zukommt. Aber das vorgeschlagene Wahlsystem gewähr
leistet in ungleich höherem Maß als das bisherige, daß alle
einigermaßen wichtigen Interessengruppen in der Nationalver
sammlung Vertreter haben. Eine derart zusammengesetzte Volks
vertretung hat, wie sich von selbst versteht, stets einen starken
Rückhalt im Volk und eine starke Resonanz für ihre Beschlüsse
in diesem.
Es mag schon sein, daß ein Parlament, zusammengesetzt nach
dem Systeme der idealen Interessenvertretung, das Regieren nicht
erleichtert. Zwar wird es in einem solchen Parlamente gewiß
ebenso politische Parteien wie bisher geben; werden doch die
politischen Wahlkämpfe nur aus den Wahlbezirken in dieWahl-
körper verlegt. Aber die Verschiedenheit der zur Vertretung ge
langenden Interessen wird die Unterwerfung unter ein Parteidiktat
gewiß ebenso erschweren wie das stärkere Hervortreten von
Individualitäten unter den Abgeordneten, welche dieses System
möglich machen wird. Aber diese Erschwerung der Geschäfts
abwicklung kann nicht als ein ernstliches Argument gegen die
vorgeschlagene Einrichtung in Betracht kommen.
Bedenklicher wird auf den ersten Blick die Ähnlichkeit des
vorgeschlagenen Systems mit jenem der historischen Interessen
vertretung, z. B. des alten österreichischen Kurienparlaments auf
lallen. Aber diese Ähnlichkeit ist nur eine äußerliche. Denn dieses