Full text: 22. Jahrbuch der Hochschule für Welthandel (22)

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erschwert wird, daß die Individualitäten, die Persönlichkeiten er 
heblich mehr als bisher sich werden durchsetzen können, daß die 
Parteischattierungen sich vermehren werden und daß vielleicht 
die eine oder andere, nicht besonders festgefügte der bisherigen 
Parteien geschädigt werden wird. Wäre das ein Nachteil, man 
müßte ihn als die Folge der Wichtigkeit des Grundsatzes der \olks- 
repräsentation in den Kauf nehmen. Mir erscheint es jedoch nicht 
als ein Nachteil: Denn nicht in der Größe und fast militärischen 
Disziplin einer Partei und nicht in der Einförmigkeit liegt für 
den demokratischen Staat das Wichtige; in der Vielgestaltigkeit, 
in der Fülle der Erscheinungsformen vielmehr zeigt sich der Reich 
tum wie im Leben des Menschen so in jenem des Staates. 
VII. 
Ich glaube nicht, daß der gegenwärtige Zeitpunkt 1 ) für eine 
Änderung der Verfassung in dem von mir angedeuteten Sinne 
der richtige ist. Zu unruhig ist noch der Lauf des Staatsschiffes. 
Weiß man doch derzeit oft genug nur, woher man ausfährt, nicht, 
wohin man kommt. 
Aber es kommt vielleicht rgcht bald der Augenblick, in dem 
diese Unruhe überwunden ist und dann wird hoffentlich die 
Nationalversammlung an die Revision der Verfassung schreiten. 
Vielleicht finden dann meine Vorschläge Beachtung. Ich bin weit 
davon entfernt, sie als Heilmittel anzusehen; sie heilen die Mängel 
der Repräsentativverfassung nicht, sie lindern sie nur. Aber diese 
Milderung würde doch erheblich sein, würde das Vertrauen des 
Volkes in die Volksvertretung und damit deren Macht stärken. 
Und das ist doch wohl der allgemeine Wunsch. 
i) Mai 1919.
	        
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